Am 27.12.2018 starteten wir zu einem Kurztrip zum Ätna. Grund dafür war der Ausbruch zu Heiligabend, bei dem sich am südlichen Hang des Neuen Südostkraters (NSEC) und im weiteren Verlauf Spalten bis in das Valle del Bove öffneten, Lavafontänen und eine gewaltige Aschewolke austraten, in dessen Folge der Flughafen Catania kurzzeitig geschlossen werden musste.
Der Entschluss und dann das Beben
Wir fassten den Entschluss, die Chance der freien Tage zwischen Heiligabend und Neujahr zu nutzen, um uns die Ereignisse aus möglichst nächster Nähe anzuschauen. Vorausgegangen waren dem Ausbruch immer wieder kleinere Aktivitäten und ständige Unruhe im Berg durch aufsteigendes Magma. Ein größerer Ausbruch wird schon seit längerem erwartet. So buchten wir Flüge für den 27.12.2018.
Am frühen Morgen des 26.12.2018 ereignete sich in der Gegend um Zafferana Etnea ein Erdbeben der Stärke 4,8 in nur 1km Tiefe. Durch die geringe Tiefe kam es zu beträchtlichen Schäden an Gebäuden in direkter Nähe des Hypozentrums. Das Erdbeben ließ uns unseren Entschluss noch einmal ausgiebig durchdenken, die möglichen Risiken abwägen und sensibler auf mögliche Gefahren durch seismische und vulkanische Aktivitäten reagieren. Helm, Stirnlampe und weiteres entsprechendes Equipment sind obligatorisch bei solch einem Vorhaben. Also packten wir sorgsam unsere Rucksäcke.
Nach dem Erdbeben nahm die Aktivität des Ätna zusehends ab. Die Tremorwerte und das Erdbebenverzeichnis des INGV (Nationales Institut für Geophysik und Vulkanologie) behielten wir kontinuierlich im Auge.
Endlich vor Ort
Gleich nach unserer Ankunft machten wir uns auf den Weg in Richtung der Touristenstation Rifugio Sapienza, um uns ein erstes eigenes Bild von den Aktivitäten zu machen. Wir hielten auf der SP92 (Strada Provenziale) an einer Stelle mit direkter Sicht zum NSEC und wie es sich bereits angedeutet hatte, war von den Lavaströmen trotz eingetretener Dunkelheit nichts mehr zu erkennen. Etwas Rotglut und sehr geringe strombolianische Aktivitäten waren am Gipfel noch auszumachen. Wir verbrachten eine Weile dort, die Aktivitäten blieben gleichmäßig gering.
Sperrung ab Belvedere (2700m)
Am 28.12.2018 begaben wir uns zur Bergstation des Rifugio Sapienza und von dort aus zum Belvedere, einem Aussichtspunkt am oberen Rand des Valle del Bove. Erlaubt ist der Zutritt zu diesem Zeitpunkt dorthin nur mit Bergführer und auch nur bis auf eine Höhe von maximal 2700m. Sämtliche höheren Bereiche sind gesperrt. Zu sehen bekamen wir starke Gasemissionen aus dem Bocca Nuova und des NSEC, die jedoch größtenteils aus Wasserdampf bestanden. Ganz selten mischten sich Ascheemissionen darunter. Die Austrittsöffnungen der Lavafontänen am Hang des NSEC sind sehr beeindruckend. Auch die erst kürzlich entstandenen Lavaströme vom Gipfel können wir bestaunen. An die Lavaströme vom 24.12.2018 dürfen wir aufgrund von Absperrungen in diesem Bereich leider nicht näher heran. Gern wären wir etwas weiter vorgedrungen. Überall sind jedoch die Gasemissionen zu sehen. Vom Belvedere blicken wir in das Valle del Bove und können den ca. 2km langen Lavastrom sehen, der sich am 24.12.2018 gebildet hat. Dieser entstand durch die sich öffnenden Spalten und Lavafontänen in diesem Bereich. Von der Montagnola aus beobachteten wir im Verlaufe des Tages das weitere Geschehen und hofften insgeheim so ein klein bisschen, dass sich die Aktivität wieder steigern würde. Dies blieb aber leider aus. Als die Dunkelheit wie jeden Tag einbricht, sind wir wieder an einer Stelle an der SP92 und beobachten den Sonnenuntergang und machen noch ein paar Fotos.
Schiena del Asino
Am Morgen des 29.12.2018 brachen wir einigermaßen früh zum Aufstieg auf die „Schiena dell`Asino“ auf. Aufgrund des guten Wetters und dadurch, dass es Samstag war, waren wir dort nicht wirklich allein. Aus dieser Blickrichtung konnten wir die Öffnungen im oberen Bereich des Valle del Bove einigermaßen gut erkennen und wiederum die Gasemissionen gut beobachten. Wir stiegen bis etwas oberhalb des Lapide Malerba auf und hatten einen grandiosen Blick über das Tal und eine atemberaubende Fernsicht. Um etwa 12:10 Uhr vernahmen wir ein etwa 20-sekündiges, nicht übermäßig lautes jedoch gut hörbares Zischen und Fauchen aus Richtung der Öffnungen innerhalb des „Valle del Bove“. Gespannt wie Flitzebögen schauten wir in die Richtung und tausend Gedanken schossen durch unsere Köpfe. Sollte es jetzt losgehen? Nein, es blieb ruhig, aber der Gruß war durchaus eindrücklich. In diesen Momenten hatten wir leicht weiche Knie.
Besichtigung in Fleri
Es kamen am Nachmittag immer mehr Menschen zu diesem Aussichtspunkt und es mischten sich die Geräusche von mehreren Drohnen in die sonst vorherrschende Ruhe. So beschlossen wir, abzusteigen und noch nach Fleri zu fahren, um uns ein eigenes Bild von den Schäden durch das Erdbeben zu machen. Als wir in Fleri eintrafen, fielen uns die vielen Einsatzkräfte im Ort auf. Eine Straße war komplett gesperrt und von den Carabinieri abgeriegelt. Ein kurzes Gespräch ergab, dass ein Aufenthalt in den abgesperrten Bereichen nicht erlaubt ist – diese waren zu diesem Zeitpunkt ausschließlich für die Einsatzkräfte zugänglich. Augenscheinlich waren viele alte und leerstehende Gebäude betroffen, was die geringe Zahl an Verletzen begründet, jedoch waren auch neuere Häuser beschädigt. Ein sich im Bau befindliches Haus gegenüber der Kirche in der Ortsmitte ist wahrscheinlich nun eine Bauruine, da große Schäden daran zu beobachten waren. Viele kleinere Schäden waren ebenfalls an Straßen und Bordsteinen zu sehen.
Die Einsatzkräfte des Zivilschutzes waren gerade dabei, ein Versorgungszelt gegenüber der Kirche aufzubauen. Ein Krankenwagen war als medizinische Notfallversorgung vor Ort aufgestellt. Alles verlief aber ruhig und geordnet.
Letzte Nacht und leider schon wieder Abschied
Langsam neigte sich unser Kurztrip damit schon dem Ende entgegen. Eine Überraschung hatte Mamma Etna noch für uns – mitten in der Nacht ab 3:30 wurden wir von drei kleinen Erdbeben wachgerüttelt, die uns wie beim Zischen und Fauchen weiche Knie verursachten. Wir fühlten uns nach dem ersten Schreck etwas „ertappt“, da wir im Gegensatz zu den beiden vorherigen Nächten unsere Sachen und notwendigen Dokumente nicht griffbereit positioniert hatten, um im Notfall schnellstmöglich die Flucht ergreifen zu können. Das wird uns eine Lehre für die Zukunft sein.
Am 30.12.2018 ging es wieder zurück nach Berlin. Trotz des ausgebliebenen Ausbruchs war die Reise ein großes Erlebnis. Aus verschiedenen Gesprächen gewannen wir den Eindruck, dass die Sizilianer weiterhin gut mit ihrem Berg leben und nach kurzer Zeit wieder zur „Normalität“ zurückgekehrt sind. Allen direkt Betroffenen wünschen wir viel Kraft für den Wiederaufbau und schnelle Genesung. Die Intensität des Erdbebens hat die Menschen in den umliegenden Gemeinden aber gehörig erschreckt, weil dies doch kein normales Ereignis war.
An der Sicherheitskontrolle stehend konnte unsere Anfrage an das INGV hinsichtlich des in diesem Augenblick am besten geeignetsten Zeitpunkts einer erneuten Flugraumsperrung leider nicht entsprochen werden. Mamma Etna verhielt sich ebenfalls ruhig, Tremor und Seismik waren weiter rückläufig. So sind wir wieder gesund und munter von unserem Kurztrip mit vielen besonderen Eindrücken zurück gekehrt.
Hier noch ein einige weitere Eindrücke dieses Abenteuers